Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in der Finanzabteilung eines Unternehmens und erhalten eine E-Mail von einem vermeintlichen Lieferanten. In der Nachricht werden Sie gebeten, künftig eine neue Bankverbindung für die Bezahlung offener Rechnungen zu nutzen. Sie folgen der Anweisung und überweisen die nächsten Beträge auf das angegebene Konto.
Einige Tage später meldet sich Ihr eigentlicher Ansprechpartner beim Lieferanten, überrascht darüber, dass keine Zahlung eingegangen ist – und versichert Ihnen, dass er seine Bankdaten nie geändert hat. In diesem Moment wird klar: Sie sind auf einen Betrug durch einen falschen Lieferanten hereingefallen.
Dieses Szenario ist kein Einzelfall. In Deutschland waren im Jahr 2023 laut einer Studie des Bitkom 36 % der Unternehmen von Betrugsversuchen mit gefälschten Lieferanten betroffen, Tendenz steigend.
1. Was ist Lieferantenbetrug?
Lieferantenbetrug basiert auf Identitätsdiebstahl: Ein Betrüger gibt sich als bestehender Geschäftspartner aus und fordert beispielsweise eine Änderung der Bankverbindung oder sendet gefälschte Rechnungen. Das Ziel ist immer die Umleitung von Zahlungen auf eigene Konten, die normalerweise an den tatsächlichen Lieferanten hätten gezahlt werden müssen.
Jedes Unternehmen kann Opfer werden, unabhängig von Größe oder Branche. Die Angriffe nehmen jährlich zu und betreffen insbesondere Buchhaltung, Einkauf und Management.
Ihr Unternehmen riskiert durch Lieferantenbetrug mehr als nur den Verlust von Geld: Auch Rechtsstreitigkeiten und ein angeschlagenes Vertrauensverhältnis zu Ihren Geschäftspartnern können die Folge sein. Umso wichtiger ist es, Warnzeichen frühzeitig zu erkennen und präventiv zu handeln.
2. Wie funktioniert Lieferantenbetrug?
Häufige Maschen und Vorgehensweisen
- Eine Firma erhält eine echte Rechnung eines Lieferanten, mit dem sie regelmäßig zusammenarbeitet.
- Kurz danach folgt eine E-Mail mit einer gefälschten Bankverbindung. Ein Cyberkrimineller gibt sich als Lieferant aus und teilt mit, dass sich die Bankverbindung geändert habe.
- Die Finanzabteilung glaubt, eine echte Anfrage zu bearbeiten, und überweist auf das neue, in Wahrheit betrügerische Konto.
Warnsignale und typische Muster
- Betrüger senden per E-Mail Änderungswünsche zu Bankdaten und üben oft Zeitdruck aus.
- Sie nutzen ungewohnte Kommunikationskanäle oder neue Ansprechpartner.
- Der Schreibstil, Logos oder Signaturen können abweichen.
Hinweis
Folgende Methoden nutzen Tricks und menschliche Fehler, um Unternehmen zu schädigen. Deshalb sind Schulungen und wachsame Teams so wichtig!
- Phishing-Techniken:
E-Mails oder gefälschte Webseiten, durch die Betrüger versuchen, an vertrauliche Daten wie Passwörter oder Bankinformationen zu gelangen. - Social Engineering:
Maschen, mit denen Betrüger gezielt Mitarbeitende dazu bringen, vertrauliche Informationen weiterzugeben oder bestimmte Handlungen wie Überweisungen auszuführen.
3. Auswirkungen von Lieferantenbetrug
Finanzielle Schäden
In erster Linie führt dieser Betrug zu hohen direkten Verlusten, die die Liquidität gefährden und andere Zahlungen (Löhne, strategische Lieferanten usw.) verzögern können. Auch die Zeit, die für Analyse und Aufarbeitung durch Finanzteams und externe Rechts- oder IT-Experten aufgewendet wird, kann verdeckte Kosten verursachen.
Rechtliche Folgen und Haftung
Wenn ein Unternehmen Opfer eines Betrugs wird, kann es bei nachgewiesener Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden. Das gilt insbesondere, wenn Überprüfungsverfahren oder interne Kontrollmechanismen im Unternehmen fehlen.
Im Falle eines Rechtsstreits mit dem echten Lieferanten oder den Behörden drohen Gerichtsverfahren und Sanktionen.
Reputationsrisiken
Schließlich kann auch das Image des Unternehmens Schaden nehmen. Kunden, Partner und Lieferanten verlieren oft das Vertrauen, wenn sie von diesen Vorfällen erfahren.
Geschäftspartner können deswegen an der Zuverlässigkeit Ihres Unternehmens in Bezug auf Rechnungsstellung und Zahlung zweifeln.
4. Interne Kontrollen und wirksame Prävention
Ein starker Schutz vor Lieferantenbetrug beginnt bei klar geregelten Abläufen und einem verlässlichen Datenmanagement. Technische Hilfsmittel und geschulte Teams sind dabei ebenso wichtig wie gut etablierte interne Prozesse.
Lieferantenstammdaten sicher verwalten
Führen Sie alle relevanten Lieferantendaten in einem zentralen und geschützten System. Dazu zählen Kontaktdaten, Bankverbindung, Steuernummer und gegebenenfalls Handelsregistereintrag. Diese Informationen sollten regelmäßig auf Richtigkeit geprüft und bei Änderungen sorgfältig bestätigt werden. Moderne ERP-Systeme oder spezialisierte Tools helfen dabei, die Übersicht zu behalten und Daten strukturiert zu pflegen.
Automatisierte Rechnungsverarbeitung mit spezialisierter Software
Um die Sicherheit zu erhöhen und Prozesse effizienter zu gestalten, empfiehlt es sich, in eine professionelle Softwarelösung für die Lieferantenrechnungsbearbeitung zu investieren. Solche Tools bieten zahlreiche Vorteile:
- Automatische Prüfung: Die Software erkennt Unregelmäßigkeiten bei wichtigen Angaben wie Bankverbindung, Lieferantendaten oder Steuernummern und warnt sofort das zuständige Team.
- Echtzeit-Benachrichtigungen: Bei jeder verdächtigen Änderung, insbesondere bei Bankverbindungen, werden sofort die zuständigen Mitarbeitenden informiert. So wird das Risiko, Zahlungen auf betrügerische Konten zu leisten, deutlich reduziert.
- Revisionssichere Dokumentation: Alle Änderungen und Freigaben werden automatisch protokolliert und sind jederzeit nachvollziehbar – ein wichtiger Punkt für interne und externe Prüfungen.
Klare Zuständigkeiten und doppelte Kontrolle
Teilen Sie Aufgaben bewusst auf. Änderungen an sensiblen Daten sollten nur im Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Eine Person ändert, eine andere bestätigt. Dasselbe gilt für hohe Zahlungssummen. Viele Systeme unterstützen diesen Ablauf durch digitale Freigaben und Protokolle. So schaffen Sie Sicherheit und Transparenz im Alltag.
Mitarbeitende sensibilisieren
Erfolgreiche Prävention braucht wachsame Teams. Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig zu aktuellen Betrugsmaschen. Fördern Sie eine Kultur der Aufmerksamkeit, in der jede ungewöhnliche Anfrage hinterfragt wird. Workshops, interne Tests oder simulierte Angriffe helfen, das Risikobewusstsein zu stärken und echte Angriffe schneller zu erkennen.
Verträge und Lieferantenbeziehungen aktiv managen
Gestalten Sie Ihre Verträge so, dass Kommunikationswege und Änderungen klar geregelt sind. Überprüfen Sie Ihre Geschäftsbeziehungen regelmäßig auf Auffälligkeiten. Ein digitales Lieferantenverzeichnis mit vollständiger Historie erleichtert die Nachverfolgung und hilft, verdächtige Aktivitäten früh zu erkennen.
- Ersterfassung der Bankdaten: Bei der ersten Rechnung werden die offiziellen Bankverbindungen des Lieferanten im System hinterlegt.
- Automatischer Abgleich: Bei jeder weiteren Rechnung prüft die Software, ob die Bankverbindung mit den gespeicherten Daten übereinstimmt.
- Sofortige Warnung: Bei Abweichungen wird das zuständige Team umgehend informiert, sodass betrügerische Zahlungen verhindert werden können.
5. Prozessgestaltung in der Buchhaltung: So sichern Sie Ihre Abläufe
Effiziente und sichere Buchhaltungsprozesse sind das Rückgrat jeder erfolgreichen Betrugsprävention. Besonders bei der Verwaltung von Lieferantenstammdaten und der Bearbeitung von Rechnungen sollten Sie folgende Maßnahmen fest verankern:
Sichere Änderung von Lieferantenstammdaten
- Änderungen sensibler Daten wie Bankverbindungen dürfen ausschließlich über festgelegte, sichere Kommunikationskanäle erfolgen.
- Jede Änderung sollte durch einen bekannten und verifizierten Ansprechpartner des Lieferanten rückbestätigt werden, idealerweise schriftlich oder telefonisch über eine bereits bekannte Nummer.
Automatisierte Prüfungen und Data-Mining
- Moderne Buchhaltungssoftware kann Auffälligkeiten wie doppelte Rechnungen, ungewöhnliche Beträge oder abweichende Bankdaten automatisch erkennen und sofort melden.
- Solche Tools erhöhen die Transparenz und helfen, Fehler oder Betrugsversuche frühzeitig zu identifizieren.
Umgang mit doppelten oder ungewöhnlichen Rechnungen
- Jede Rechnung, die von bekannten Mustern abweicht oder doppelt eingeht, sollte manuell geprüft werden.
- Ungewöhnliche Vorfälle sollten umgehend dokumentiert und den Vorgesetzten gemeldet werden.
Notfallpläne und Meldewege bei Verdachtsfällen
- Sofortige interne Meldung an die Buchhaltungs- oder Compliance-Abteilung.
- Sperrung verdächtiger Zahlungen.
- Information der Geschäftsleitung und – falls erforderlich – externer Stellen wie Banken oder Behörden.
Praxis-Tipp:
Überprüfen und verbessern Sie diese Prozesse regelmäßig, um auf neue Betrugsmaschen schnell reagieren zu können
6. Was tun im Falle eines (versuchten) Lieferantenbetrugs?
Wenn Sie den Verdacht haben, Opfer eines Lieferantenbetrugs geworden zu sein oder eine entsprechende Betrugsmasche erkennen, ist schnelles und strukturiertes Handeln entscheidend, um Schäden zu minimieren und weitere Angriffe zu verhindern.
Sofortmaßnahmen
- Den echten Lieferanten informieren: Setzen Sie sich umgehend mit dem tatsächlichen Lieferanten in Verbindung. Es ist möglich, dass dessen Identität missbraucht wurde und auch andere Unternehmen betroffen sind. Dokumentieren Sie den gesamten Austausch genau.
- Verdächtige Zahlungen stoppen: Kontaktieren Sie sofort Ihre Bank, um verdächtige Überweisungen zu stoppen oder rückgängig zu machen. Blockieren Sie das betroffene Konto in Ihrem System und prüfen Sie, ob noch nicht ausgeführte Zahlungen gestoppt werden können.
- Den Betrugsfall melden: Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei oder zuständigen Behörden. In Deutschland sollten Sie Betrugsfälle bei der Polizei, speziellen Cybercrime-Anlaufstellen (in einigen Bundesländern), Ihrer Bank und Versicherung melden.
- Alle relevanten Unterlagen sichern: Sammeln und sichern Sie sämtliche Belege, E-Mails und Kommunikationswege, die mit dem Betrugsversuch in Verbindung stehen. Das erleichtert die Aufklärung und spätere Nachverfolgung.
Spezieller Hinweis bei bereits erfolgter Zahlung:
- Falls bereits Gelder überwiesen wurden, identifizieren Sie alle betroffenen Transaktionen und blockieren Sie das verdächtige Konto umgehend im System.
- Versuchen Sie, die Zahlung über Ihre Bank zu stoppen oder zurückzuholen. Je schneller Sie reagieren, desto höher ist die Chance, das Geld zurückzuerhalten.
- Reichen Sie eine Strafanzeige ein – schnelles Handeln ist entscheidend, um den Schaden zu begrenzen.
Nachbereitung und Prävention
Schwachstellen analysieren
Untersuchen Sie, wie es zum Betrugsversuch kommen konnte. Welche Prozesse oder Kontrollen haben versagt? Passen Sie Ihre internen Abläufe entsprechend an.
Prozesse und Schulungen aktualisieren
Überarbeiten Sie Ihre internen Validierungsprozesse, insbesondere bei Änderungen von Bankverbindungen oder Ansprechpartnern. Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig zu aktuellen Betrugsmaschen und führen Sie interne Tests (z. B. simulierte Betrugsversuche) durch.
IT-Abteilung einbinden
Prüfen Sie, ob weitere Angriffsversuche erfolgt sind, und lassen Sie Ihre IT-Systeme auf Schwachstellen untersuchen.
7. Fazit und Best Practices: Wachsamkeit schützt am besten
Lieferantenbetrug nutzt jede Schwachstelle. Wenn Sie klare Prozesse etablieren, moderne Tools einsetzen und Teams sensibilisieren, schützt Sie Ihr Unternehmen wirksam. Mit der richtigen Vorbereitung lassen sich Risiken deutlich senken und Zahlungsflüsse absichern.
Was besonders wichtig ist
Definieren Sie klare Abläufe für Rechnungen und Zahlungen. Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig und machen Sie sie aufmerksam für typische Betrugsmaschen. Setzen Sie auf Software, die Daten automatisch prüft und Auffälligkeiten meldet. Achten Sie auf das Vier-Augen-Prinzip bei sensiblen Änderungen. Reagieren Sie im Ernstfall schnell und koordiniert.
Wie Prävention langfristig gelingt
Optimieren Sie Ihre Prozesse laufend und überprüfen Sie regelmäßig die bestehenden Schutzmaßnahmen. Tauschen Sie sich mit anderen Firmen aus und bleiben Sie über neue Betrugsmethoden informiert. Richten Sie sich nach rechtlichen Vorgaben und internen Standards. Viele Anforderungen sind heute Teil gesetzlicher oder versicherungstechnischer Pflicht.
Wenn Sie diese Best Practices umsetzen, schützen Sie nicht nur Ihre Finanzen. Sie bewahren auch das Vertrauen von Geschäftspartnern und Kunden.
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